Nachtkerzenöl zur Behandlung der Neurodermitits – wirksam oder unwirksam?

 

Nachtkerzenöl zur Behandlung der atopischen Dermatitis



Vermindert Nachtkerzenöl Juckreiz und Hautrötung bei Neurodermitis?



Hintergrund

Nachtkerzenöl-Präparate werden als Arzneimittel und Nahrungsergänzungsmittel zur unterstützenden Behandlung bei atopischer Dermatitis / Neurodermitis empfohlen.

Nachtkerzenöl (Oenotherae oleum) wird aus den Samen von Nachtkerzen-Arten, besonders der Gemeinen Nachtkerze (Oenothera biennis L.), gewonnen. Nachtkerzenöl enthält etwa 8 bis 14 % Gamma-Linolensäure und 65 bis 80 % Linolsäure.

Als Arzneimittel ist Nachtkerzensamenöl zugelassen zur Behandlung des atopischen Ekzems (Neurodermitis), insbesondere zur Behandlung des begleitenden Juckreizes.

Als Dosierung zur Behandlung der Neurodermitis wird die Einnahme von bis zu 6 g Nachtkerzenöl pro Tag empfohlen (Handelsnamen: Epogam® Weichkapseln, Gammacur® Kapseln, Neobonsen® Kapseln, Efamol® Kapseln).

Erfahrungsberichten zufolge werden die typischen Symptome der Neurodermitis wie Juckreiz, Schuppung, Hautentzündung oder Rötung durch eine Behandlung mit Nachtkerzenöl positiv beeinflusst.


Wirkmechanismus

Als der wesentliche wirksame Bestandteil des Nachtkerzenöls wird die Gamma-Linolensäure (Gamolensäure) angesehen.

Die dreifach ungesättigte Gamma-Linolen­säure wird im Körper aus Linolsäure synthetisiert. Besonders reich an Gamma-Linolensäure sind Borretschöl (21 %), schwarzes Johannisbeerenöl (14 bis 19 %) und Nachtkerzenöl (9 %).

Obwohl Gamma-Linolensäure aus der reichlich im Körper vorhandenen Linolsäure selbst gebildet werden kann, ist ein Mangel in der Haut möglich. Dies erklärt sich dadurch, dass zur Bildung ausreichender Mengen an Gamma-Linolensäure das Enzym Delta-6-Desaturase notwendig ist. Die Aktivität dieses Enzyms kann genetisch bedingt, aufgrund von Stoffwechsel-Erkrankungen (Diabetes) oder auch als Folge des normalen Alterungsprozesses vermindert sein.

Aus einer Vielzahl von Untersuchungen ist bekannt, dass Gamma-Linolensäure-haltige Öle nach innerlicher Anwendung bei Patienten mit ekzematösen Hautveränderungen eine geschädigte Hautbarriere erneuern, den gesteigerten transepidermalen Wasserverlust normalisieren und die Hautglätte verbessern können.

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Studien zur Wirksamkeit von Nachtkerzenöl

In einer ersten Metaanalyse klinischer Daten aus dem Jahre 2006 wurden insgesamt 26 Studien mit zusammen 1207 Patienten in der Indikation atopische Dermatitis berücksichtigt. Die Analyse kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Behandlung mit Nachtkerzenöl nach 4 bis 8 Wochen Dauer positiv auf Juckreiz, Verkrustung, Ödeme und Rötungen (Erythema) auswirken kann (1). Es wurde jedoch darauf hingewiesen, dass eine gleichzeitige Cortisontherapie die Wirksamkeit von Nachtkerzenöl reduzieren könnte. 

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Zu einer gegensätzlichen Bewertung kommt die Übersichtsarbeit einer amerikanischen Arbeitsgruppe aus dem Jahr 2008: Demnach seien die bisher veröffentlichten Studienergebnisse zur Wirksamkeit von Nachtkerzenöl bei der Behandlung der Neurodermitis unzureichend, um eine Behandlungsempfehlung aussprechen zu können (2).

Eine weitere Untersuchung aus dem Jahre 2009 bestätigt im Wesentlichen dieses Ergebnis: Nach Einschätzung der Autoren finden sich in den bisher durchgeführten Studien keine ausreichenden Belege für eine klinisch relevante Verbesserung der Neurodermitis unter der oralen Therapie mit Nachtkerzenöl (3).

Vereinzelt finden sich in der Literatur positive Studienergebnisse zur Anwendung von Nachtkerzenöl bei atopischer Dermatitis. Diese basieren in der Regel auf kleineren Studien.

Als Beispiel sei eine indische Studie an insgesamt 50 Patienten mit klinisch gesicherter atopischer Dermatitis genannt (4). Über einen Zeitraum von 5 Monaten erhielten jeweils 25 Patienten entweder 500 mg Nachtkerzenöl oder identisch aussehende Kapseln mit Sonnenblumenöl. Vor und nach der Behandlung wurde die Wirksamkeit anhand des Ausmaßes und der Intensität von Juckreiz und Trockenheit der Haut beurteilt. Ergebnis: Am Ende des fünften Monats zeigten 24 (96 %) der Patienten der Nachtkerzenöl-Gruppe und 8 (32 %) der Patienten der Vergleichsgruppe eine klinisch relevante Verbesserung. Der Unterschied zur Vergleichsgruppe war statistisch signifikant.


Weitere Bewertungen zur Wirksamkeit von Nachtkerzenöl

Das wegen ihrer kritischen Kommentare bekannte arznei-telegramm ordnete Gamma-Linolensäure in Nachtkerzensamenöl als "umstrittenes Therapieprinzip" ein, dessen Effekt sich "auch durch Hautexterna erzielen lässt". Der Nutzen von essenziellen Fettsäuren wie Gamma-Linolensäure / Gamolensäure (z.B. in Nachtkerzensamenöl) sei laut arzneimittel-telegramm unklar bzw. nicht belegt (Stand der Information: 2003 (5)).

In einer jüngst veröffentlichten Cochrane-Metaanalyse wurde die orale Therapie der atopischen Dermatitis /Neurodermitis mit Nachtkerzenöl erneut bewertet (6). In dieser Analyse wurden die Ergebnisse von insgesamt 19 klinischen Studien berücksichtigt. Wesentliches Ergebnis war, dass die Behandlung mit Nachtkerzenöl im Vergleich zu Placebo zu keiner signifikanten Verbesserung der Symptome einer Neurodermitis führte. In die Bewertung der Symptome flossen die Einschätzungen der Patienten und der behandelnden Ärzte ein. Die Autoren schlussfolgerten dementsprechend, dass Nachtkerzenöl keine wirksame Behandlung der Neurodermitis bzw. des atopischen Ekzems darstelle (6).


Verträglichkeit

Unter der Einnahme von Nachtkerzenöl wurden als Nebenwirkungen Verdauungsbeschwerden, Übelkeit und Kopfschmerzen berichtet. Bei der Behandlung mit Nachtkerzensamenöl kann es zum Auftreten von bislang nicht erkannten epileptischen Anfällen kommen. Ein antikoagulatorischer Effekt (Hemmung der Blutgerinnung) und eine Hemmung der Thrombozytenaggregation kann nicht ausgeschlossen werden (7).


Fazit

In den bisher veröffentlichten Studien konnte die Wirksamkeit von Nachtkerzenöl zur Behandlung von Symptomen einer Neurodermitis / atopischen Dermatitis nicht ausreichend belegt werden. Auch wenn in kleineren Studien positive Effekte von Nachtkerzenöl auf ausgewählte Symptome dieser Hauterkrankung dokumentiert sind, so ist das für eine allgemeine Behandlungsempfehlung nicht ausreichend.


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Literatur:


1. Morse NL, Clough PM. A meta-analysis of randomized, placebo-controlled clinical trials of Efamol evening primrose oil in atopic eczema. Curr Pharm Biotechnol. 2006 Dec;7(6):503-24. Review.

2. Stonemetz D. A review of the clinical efficacy of evening primrose. Holist Nurs Pract. 2008 May-Jun;22(3):171-4.

3. Bayles B, Usatine R. Evening primrose oil. Am Fam Physician. 2009 Dec 15;80(12):1405-8.

4. Senapati S, Banerjee S, Gangopadhyay DN. Evening primrose oil is effective in atopic dermatitis: a randomized placebo-controlled trial. Indian J Dermatol Venereol Leprol. 2008 Sep-Oct;74(5):447-52.

5. Arznei-telegramm 2003; 34: 53-4; Arnzei-telegramm 2002; 33: 107.

6. Bamford JT, Ray S, Musekiwa A, van Gool C, Humphreys R, Ernst E. Oral evening primrose oil and borage oil for eczema. Cochrane Database Syst Rev. 2013 Apr 30;4:CD004416.

7. Fachinformation zum Arzneimittel Epogam 1000 mg, Stand: Mai 2011.