Melatonin gegen Jetlag – Ist Melatonin wirksam zur Vorbeugung von Symptomen eines Jetlags?



Hilft Melatonin die Zeitverschiebung bei Fernreisen erträglich zu machen?



Hintergrund

Die Symptome des Jetlags bestehen in der Regel aus Tagesmüdigkeit, Schlaflosigkeit und Stimmungsschwankungen, können aber auch mit verminderter geistiger Leistungsfähigkeit verbunden sein.
Pro Stunde Zeitverschiebung muss man mit bis zu einem Tag rechnen, bis sich der Körper wieder angepasst hat. Das bedeutet: Bei einer Zeitverschiebung von sieben Stunden kann die vollständige Anpassung bis zu sieben Tage dauern.


Melatonin

Durch die Melatonin-Freisetzung steuert die Zirbeldrüse (Epiphyse) die interne Uhr und regelt damit die natürlichen Rhythmen von Körperfunktionen.
Melatonin ist eine natürliche Substanz mit Neurotransmitter-ähnlichen Eigenschaften, die von der Zirbeldrüse (Epiphyse) produziert wird. Dieser Wirkstoff ist in zahlreiche biologische Funktionen und physiologische Abläufe des Körpers eingebunden. Melatonin zählt zu den biogenen Aminen und ist ein Derivat vom Serotonin, das sich wiederum von der Aminosäure Tryptophan ableitet.
Die Rolle von endogenem Melatonin bei Störungen des zirkadianen Rhythmus und bei Schlafstörungen ist gut untersucht (2, 5).
Die Melatoninsynthese wird durch Dunkelheit aktiviert und unter Lichteinfluss gehemmt. Die Freisetzung von Melatonin folgt einem zirkadianen (circa: ungefähr; dias: ein Tag) Rhythmus als Reaktion auf Veränderungen beim Tageslicht.


Melatonin bei Jetlag

Wenn Melatonin bei Fernreisen am Zielort zwischen 22 Uhr und Mitternacht eingenommen wird, kann es Schlafstörung, psychische Störungen und Tagesmüdigkeit korrigieren, die nach Flügen über mehrere Zeitzonen auftreten. Die Störung biologischer Rhythmen, durch die rasche Veränderung der Umwelt verursacht (und die damit verbundenen Hell- / Dunkel-Signale), kann offenbar durch Melatonin korrigiert werden. Der Vorteil ist wahrscheinlich größer bei Durchquerung mehrerer Zeitzonen und weniger groß für westwärts gerichtete Flüge (5). Wird Melatonin bereits vor der Reise eingenommen, können sich die Symptome oftmals noch verschlimmern im Gegensatz zur Einnahme von Melatonin unmittelbar nach der Ankunft (2).


Studien zur Wirksamkeit

In einer Untersuchung mit 37 Teilnehmern, die Interkontinentalflüge gewöhnt waren, aber trotzdem nach einer ostwärts gerichteten Reise über Beschwerden berichteten, erhielten die Teilnehmer 8 mg Melatonin-Kapseln oder Placebo, eingenommen am 1. Tag (22 Uhr) und an den Tagen 2 bis 4 vor dem Zubettgehen. Ergebnis: Melatonin zeigte eine signifikant bessere Wirksamkeit bei der Linderung von Jetlag im Vergleich zu Placebo bei Patienten, die bei einem ostwärts-gerichteten Flug erhebliche Beschwerden erlebten (1).

In einer weiteren Untersuchung erhielten 20 Freiwillige mit Erfahrung von Interkontinentalflügen durch mindestens 5 Zeitzonen einmal täglich 5 mg Melatonin-Kapseln oder Placebo. Ergebnis: Die Melatonin-Anwendung führte zu deutlich weniger Jetlag-Symptomen im Vergleich zu Placebo. Teilnehmer, die Melatonin eingenommen hatten, berichteten, dass sie während des Tages weniger müde waren und weniger Zeit benötigten, um einen normalen Schlafrhythmus zu erreichen und ihr normales Maß an Tageaktivität zu realisieren (6).

In einer großen Placebo-kontrollierten Studie wurden 320 Freiwillige, die Flüge über 6 bis 8 Zeitzonen durchführten, entweder mit 0,5 mg, 2 mg oder 5 mg Melatonin (schnell freisetzende Verbindung) für jeweils 4 Tage behandelt. Bei den ostwärts-gerichteten Flügen wurde das Melatonin oder Placebo jeweils vor dem Zubettgehen eingenommen. .
Ergebnisse: Melatonin verbesserte statistisch signifikant die selbstbewertet Schlafqualität, verkürzte die Schlaflatenz und reduzierte die Müdigkeit bei Patienten mit Jetlag. Eine Dosierung von Melatonin zwischen 0,5 und 5 mg war ähnlich wirksam, mit der Ausnahme, dass die Betroffenen nach 5 mg schneller einschliefen und insgesamt besser schliefen als nach 0,5 mg. Dosen über 5 mg scheinen keinen zusätzlichen Effekt zu haben. Die relativ schlechte Wirksamkeit von 2 mg Melatonin mit verzögerter Freisetzung legt nahe, dass eine kurzzeitige hohe Spitzen-Konzentration von Melatonin notwendig zu sein scheint, um die Jetlag-Symptome zu beeinflussen. Fazit: Die schnell-freisetzende 5mg-Formulierung von Melatonin war die wirksamste Dosis, um Müdigkeit und Schlafstörungen bei nach Osten gehenden Flügen zu reduzieren (7).

Der Vorteil der Melatonin-Einnahme ist wahrscheinlich größer, je mehr Zeitzonen gekreuzt werden. Für westwärts gerichtete Flüge mit Zeitverschiebung scheint die Melatonin-Anwendung weniger wirksam zu sein. Der Zeitpunkt der Melatonin-Einnahme ist wichtig: Wenn es zur falschen Zeit, zu früh am Tag genommen wird, kann es Schläfrigkeit verursachen und die Anpassung an die lokale Zeit verzögern. Das Auftreten von Nebenwirkungen war in den Studien gering (2, 4).
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Zulassungsstatus – Melatonin als Arzneimittel oder Nahrungsergänzungsmittel?

Während Melatonin in den USA als „Nahrungsergänzungsmittel“ ohne Rezept erworben werden kann, ist Melatonin in Deutschland nur als Arzneimittel auf Rezept erhältlich.

Das Arzneimittel „Circadin 2 mg Retardtabletten“ ist z.B. nicht für die Behandlung von Symptomen eines Jetlags zugelassen, sondern als Schlafmittel für ältere Patienten, deren Schlaf durch eine schlechte Schlafqualität beeinträchtigt ist (3).

Ende 2012 wurde kurz nach der Markteinführung in Deutschland ein Nahrungsergänzungsmittel mit 1,5 mg Melatonin (Gaba Life) von den Behörden wieder aus dem Verkehr gezogen. Auf Grund der hormonartigen Wirkungen wurde das Produkt als zulassungspflichtiges Arzneimittel eingestuft.


Verträglichkeit

In kontrollierten Studien wurden als häufigste Nebenwirkungen Kopfschmerzen, Nasopharyngitis (Entzündung der Nase und des Rachens), Rückenschmerzen und Gelenkschmerzen beobachtet (3). In der Literatur werden darüber hinaus noch, Bauchkrämpfe, eine verringerte Wachsamkeit, eine Störung des zirkadianen Rhythmus und Tagesmüdigkeit beschrieben (5).

Schlafstörungen und Schlafprobleme – weitere interessante Beiträge:

 

Mögliche Wechselwirkungen

Melatonin sollte nicht zusammen mit Alkohol eingenommen werden, da dieser die Wirkung von Melatonin auf den Schlaf herabsetzt (3).
Melatonin kann die sedierenden Eigenschaften von Benzodiazepinen und von Nicht-Benzodiazepin-Schlafmitteln wie Zaleplon, Zolpidem und Zopiclon verstärken.
Vorsicht ist geboten bei Patientinnen, die Östrogene erhalten (z. B. Kontrazeptiva oder Hormonersatztherapie), da diese die Melatoninspiegel durch Hemmung des Abbaus erhöhen. In diesem Fall sollte eine möglichst geringe Melatonin-Dosis angewendet werden.
Eine Anwendung von Melatonin bei Patienten mit Autoimmunerkrankungen wird nicht empfohlen (3).


Fazit

Melatonin ist bemerkenswert wirksam bei der Verhinderung oder Verringerung der Jetlag-Symptome. Die gelegentliche kurzfristige Anwendung scheint sicher und verträglich zu sein. Melatonin kann erwachsenen Reisenden empfohlen werden, die über fünf oder mehr Zeitzonen in östlicher Richtung fliegen, insbesondere, wenn sie auf früheren Reisen bereits auffällige Jetlag-Symptome erlebt hatten (4). 

Weitere Informationen zur Wirksamkeit von Melatonin: 

  • Wirkt Melatonin bei allgemeinen Schlafstörungen?
  • Angst in Zusammenhang mit einer Operation – Vermindert Melatonin wirksam das Auftreten von Angst?
     


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    Literatur


    1. Claustrat B, Brun J, David M, Sassolas G, Chazot G: Melatonin and jet lag: confirmatory result using a simplified protocol. Biol Psychiatry 1992,32:705–711.
    2. Costello RB, Lentino CV, Boyd CC, O'Connell ML, Crawford CC, Sprengel ML, Deuster PA. The effectiveness of melatonin for promoting healthy sleep: a rapid evidence assessment of the literature. Nutr J. 2014 Nov 7;13:106. Review.
    3. Fachinformation Circadin 2 mg Retardtabletten, Stand Juli 2015
    4. Herxheimer A, Petrie KJ. Melatonin for the prevention and treatment of jet lag. Cochrane Database Syst Rev. 2002;(2):CD001520. Review.
    5. Malhotra, S; Sawhney G; Pandhi P. The Therapeutic Potential of Melatonin: A Review of the Science. Medscape, Allergy & Clinical Immunology; http://www.medscape.com/viewarticle/472385
    6. Petrie K, Conaglen JV, Thompson L, Chamberlain K: Effect of melatonin on jet lag after long haul flights. BMJ 1989, 298:705–707.
    7. Suhner A, Schlagenhauf P, Johnson R, Tschopp A, Steffen R: Comparative study to determine the optimal melatonin dosage form for the alleviation of jet lag. Chronobiol Int 1998,15:655–666.


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