Schlafstörungen - Naturheilmittel mit Wirkung bei Schlafproblemen


Wie wirksam sind Baldrian, Melisse, Lavendel und Passionsblume bei Einschlafstörungen?



Hintergrund
Schlafstörungen können sehr unterschiedliche Ursachen haben. Häufig sind sie die Folge von ungelösten Problemen, erhöhtem Stress oder einer allgemeinen Ängstlichkeit. Schlafprobleme treten aber auch im Rahmen des prämenstruellen Syndroms oder in den Wechseljahren auf. Auch eine hohe körperliche Anstrengung oder ein Zuwenig an Bewegung können zu Einschlafstörungen führen.

Zu den Naturheilmitteln, die sich günstig auf Schlafprobleme auswirken können, zählen u.a. Baldrian, Melisse, Lavendel, Passionsblume oder roter Ginseng. Auch die Aminosäure Tryptophan kann die Zeit bis zum Einschlafen verkürzen. In der nachfolgenden Übersicht werden die bisher veröffentlichten Daten zur Wirksamkeit dieser Naturheilmittel zusammengefasst und bewertet.


Baldrian

Für Baldrian ist bekannt, dass es schlaffördernd wirkt. Baldrianwurzel-Extrakte erhöhen zwar die Schlafbereitschaft, zählen aber nicht zu den Schlafmitteln. Nicht alle Menschen sprechen gleich gut auf eine Baldrian-Einnahme an. Wichtig für eine positive Wirkung ist, dass Baldrian in ausreichender Dosierung eingenommen wird. Nach Experten-Meinung kann erst ab einer Dosierung von 600 bis 1000 mg Baldrian-Extrakt pro Tag von einer ausreichenden Wirkung ausgegangen werden.


Studien zur Wirksamkeit von Baldrian

In einer ersten Metaanalyse zur Wirksamkeit von Baldrian bei der Verbesserung der Schlafqualität wurden bereits im Jahre 2006 insgesamt 16 Studien mit zusammen 1093 Patienten berücksichtigt (1). Insgesamt zeigten sich in 6 Studien unter Baldrian signifikante Verbesserungen der Schlafqualität, wobei diese Ergebnisse methodisch angezweifelt wurden. Nach Einschätzung der Autoren deuten die verfügbaren Daten trotzdem darauf hin, dass Baldrian die Schlafqualität, ohne wesentliche Nebenwirkungen, verbessern könne.

In einer weiteren Metaanalyse aus dem Jahr 2010 zur Wirksamkeit von Baldrian bei Schlafstörungen wurden von einer spanischen Arbeitsgruppe insgesamt 18 randomisierte, kontrollierte Studien analysiert (4). Die Ergebnisse zeigten für Baldrian eine geringfügige, aber signifikante Verkürzung der Zeit bis zum Einschlafen im Vergleich zur Placebo-Behandlung. Zudem wurde die Schlafqualität von den Betroffenen als wesentlich gebessert im Vergleich zu Placebo bewertet.


Baldrian beeinflusst die Wirkung von Koffein

Bei vielen Menschen führt ein zu später Kaffeegenuss im Tagesverlauf zu Einschlafstörungen am Abend. Erste Untersuchungen deuten darauf hin, dass die Einnahme eines Hopfen-Baldriangemisches möglicherweise den negativen Effekt des Koffeins auf die Schlafbereitschaft kompensieren könnte. Bei Testpersonen, die direkt nach der Koffein-Zufuhr das Hopfen-Baldriangemisch einnahmen, zeigten sich im EEG Veränderungen, die für Entspannung stehen. Damit seien nach Ansicht der Autoren die Voraussetzungen für eine ungestörte Nachtruhe geschaffen (14).

Die bisher veröffentlichten Daten zusammenfassend, kann davon ausgegangen werden, dass Baldrian in ausreichender Dosierung geeignet ist, die Schlafqualität zu verbessern. Zudem deuten die bisherigen Studienergebnisse darauf hin, dass Baldrian die Schlafbereitschaft erhöht und dadurch die Zeit bis zum Einschlafen verkürze. Insgesamt ist die Wirkung von Baldrian im Vergleich zu Standard-Schlafmitteln eher gering ausgeprägt. Aufgrund der Ansprechrate von nur 30 bis 50 Prozent lässt sich die individuelle Wirkung nicht vorhersagen.

Melisse

Auch Melissa officinalis (Zitronenmelisse) wird als mildes Beruhigungsmittel bei Einschlafstörungen eingesetzt. Wie andere pflanzliche Schlafmittel erleichtert Melisse das Abschalten und unterstützt das Einschlafen. Oftmals wird die Melisse bei Einschlafstörungen mit Hopfen und Baldrian kombiniert.

Verschiedene pflanzliche Kombinationspräparate mit dem Wirkstoff Zitronenmelissen-Extrakt sind als Arzneimittel zur Behandlung von Unruhezuständen und nervös bedingten Einschlafstörungen zugelassen (u.a. Sedacur® forte, Euvegal®, Pascosedon®, Sandrin®, SE Baldrian/Melisse forte).

In einer Pilotstudie erwies sich eine 15-tägige Behandlung mit Melissen-Extrakt (600 mg tgl.) bei gestressten Personen, die unter leichten bis mäßig starken Angst- und Schlafstörungen litten als wirksam. Bei einem Großteil der Betroffenen (85 %) besserten sich die Schlafprobleme deutlich (2).


Lavendel

Auch Lavendel wird eine leicht beruhigende Wirkung zugeschrieben. Als Aromatherapie wird Lavendelöl u.a. zur Minderung von innerer Unruhe empfohlen. Sowohl die Anwendung als Aromatherapie wie auch die Aufnahme in Kapselform kann hilfreich sein.

Chien und Mitarbeiter untersuchten die Wirkungen einer 12-wöchigen Lavendelöl-Aromatherapie bei Frauen mit Schlafstörungen im Alter von 45 bis 55 Jahren. Auch hier zeigte sich ein positiver Einfluss von Lavendelöl auf die Aktivität des parasympathischen Nervensystems. Als Ergebnis der Behandlung konnte eine Verbesserung der Schlafqualität dokumentiert werden (3). Diese Ergebnisse konnten in weiteren kontrollierten Untersuchungen bestätigt werden (11).


Passionsblume

Extrakte aus Passionsblumen oder Passiflora incarnata werden zur Behandlung von Angststörungen und den damit verbundenen Schlafstörungen angewandt.

Als pflanzliches Arzneimittel ist der Wirkstoff Passionsblumen-Trockenextrakt in Deutschland zur Behandlung von nervösen Unruhezuständen zugelassen.
In der Praxis wird Passiflora incarnata auch bei leichten Einschlafproblemen eingesetzt.

Passionsblumen-Extrakte werden als Monopräparate oder in Kombination mit Baldrian oder Johanniskraut rezeptfrei in Apotheken angeboten (z.B.: Pascoflair®, Kytta-Sedativum®, Hoggar® Balance, Neurapas®, Hyperflorin®, Lioran®).

Studien zur Wirksamkeit von Passionsblumen-Extrakt
In einer Placebo-kontrollierten Doppelblind-Studie wurde an 41 Erwachsenen mit gering ausgeprägten Schlafstörungen geprüft, ob durch die tägliche Einnahme von Passiflora über einen Zeitraum von einer Woche die Schlafqualität positiv beeinflusst wird (13). In dieser Untersuchung wurde eine Tee-Zubereitung aus Passionsblumen-Extrakt eingesetzt. Ergebnis: Bei der Auswertung der Schlafprotokolle zeigte sich ein signifikanter Vorteil für die Passionsblumen-Gruppe. Unter der Behandlung mit Passiflora besserte sich insbesondere die subjektive Schlafqualität bei den ansonsten gesunden Erwachsenen (13).


Ginseng

Der Einfluss von Ginseng auf die Schlafqualität wurde bei 15 gesunden Personen über einen Zeitraum von 7 Tagen untersucht. Unter einer täglichen Dosis von dreimal 1,5 g rotem Ginseng konnte durch einen Vorher-Nachher-Vergleich im Schlaflabor eine verbesserte Schlafqualität dokumentiert werden (5).


Prämenstruelles Syndrom und Schlafstörungen

Schlafstörungen, die im Rahmen eines prämenstruellen Syndroms auftreten scheinen besonders gut auf die Behandlung mit Mönchspfeffer (Vitex-agnus-castus) anzusprechen. In Studien gelang der Nachweis, dass Vitex agnus-castus innerhalb von drei Monaten die Mehrzahl der typischen PMS-Beschwerden, einschließlich Schlafstörungen, im Vergleich zu Placebo signifikant vermindert (8, 12).


Wechseljahre und Schlafstörungen

Mehrere Studien zur Anwendung von Rhapontikrhabarberwurzel-Extrakten bei Wechseljahresbeschwerden belegen, dass sich neben den vasomotorischen Beschwerden auch die psychischen Wechseljahresbeschwerden, wie depressive Verstimmungen, Ängstlichkeit und Schlafstörungen durch die Gabe von Rhapontikrhabarberwurzel positiv beeinflussen lassen (10).


Tryptophan

L-Tryptophan ist eine essenzielle Aminosäure, die in ausreichenden Mengen mit der normalen Ernährung aufgenommen wird. Verschiedene Untersuchungen belegen, dass L-Tryptophan in Dosen von 1 g oder mehr zu einer Zunahme der subjektiv bewerteten Schläfrigkeit führt und darüber hinaus eine Abnahme der Schlaf-Latenz (Zeit bis zum Einschlafen) bewirkt (6, 7, 9). Wahrscheinlich hat L-Tryptophan keinen Effekt auf die Häufigkeit des Wachwerdens und auf die Gesamt-Schlafenszeit. Die Wirksamkeit von L-Tryptophan wird deutlich verbessert, wenn es auf nüchternen Magen und nicht nach dem Essen eingenommen wird.



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Chinesische Medizin – Chinesische Kräuter

In der Chinesischen Medizin werden traditionell einzelne Kräuter oder Kräutermischungen zur Behandlung von Schlafstörungen angewendet. Zu den am häufigsten eingesetzten Kräutermischungen zählt Gui Pi Tang.

Der am häufigsten angewendete Pflanzenextrakt entstammt der Pflanze Suan Zao Ren (Ziziphus jujuba). Die bisher durchgeführten klinischen Studien lassen aufgrund unzureichender methodischer Qualität keine Aussagen zur Wirksamkeit und Verträglichkeit chinesischer Kräuter bei Schlafstörungen zu (15).

Literatur


1. Bent S, Padula A, Moore D, Patterson M, Mehling W. Valerian for sleep: a systematic review and meta-analysis. Am J Med. 2006 Dec;119(12):1005-12.

2. Cases J, Ibarra A, Feuillère N, Roller M, Sukkar SG. Pilot trial of Melissa officinalis L. leaf extract in the treatment of volunteers suffering from mild-to-moderate anxiety disorders and sleep disturbances. Med J Nutrition Metab. 2011 Dec;4(3):211-218.

3. Chien LW, Cheng SL, Liu CF: The effect of lavender aromatherapy on autonomic nervous system in midlife women with insomnia. Evid Based Complement Alternat Med 2012, Article ID 740813:8.

4. Fernández-San-Martín MI, Masa-Font R, Palacios-Soler L, Sancho-Gómez P et al. Effectiveness of Valerian on insomnia: a meta-analysis of randomized placebo-controlled trials. Sleep Med. 2010 Jun;11(6):505-11.

5. Han Hj, Kim HJ, Choi JJ, Ahn SY, Lee SH, Oh KW, Kim SY. Effects of red ginseng extract on sleeping behaviors in human volunteers. J Ethnopharmacol. 2013 Sep 16;149(2):597-9.

6. Hartmann E, Lindsley JG, Spinweber C. Chronic insomnia: effects of tryptophan, flurazepam, secobarbital, and placebo. Psychopharmacology (Berl). 1983;80(2):138-42.

7. Hartmann E. Effects of L-tryptophan on sleepiness and on sleep. J Psychiatr Res. 1982-1983;17(2):107-13.

8. He Z, Chen R, Zhou Y, Geng L, Zhang Z, Chen S, Yao Y, Lu J, Lin S. Treatment for premenstrual syndrome with Vitex agnus castus: A prospective, randomized, multi-center placebo controlled study in China. Maturitas. 2009 May 20;63(1):99-103.

9. Hudson C, Hudson SP, Hecht T, MacKenzie J. Protein source tryptophan versus pharmaceutical grade tryptophan as an efficacious treatment for chronic insomnia. Nutr Neurosci. 2005 Apr;8(2):121-7.

10. Kaszkin-Bettag M, Ventskovskiy BM, Kravchenko A, Rettenberger R, Richardson A, Heger PW, Heger M. The special extract ERr 731 of the roots of Rheum rhaponticum decreases anxiety and improves health state and general well-being in perimenopausal women. Menopause. 2007 Mar-Apr;14(2):270-83.

11. Koulivand PH, Khaleghi Ghadiri M, Gorji A. Lavender and the nervous system. Evid Based Complement Alternat Med. 2013;2013:681304.

12. Ma L, Lin S, Chen R, Zhang Y, Chen F, Wang X. Evaluating therapeutic effect in symptoms of moderate-to-severe premenstrual syndrome with Vitex agnus castus (BNO 1095) in Chinese women. Aust N Z J Obstet Gynaecol. 2010 Apr;50(2):189-93.

13. Ngan A, Conduit R. A double-blind, placebo-controlled investigation of the effects of Passiflora incarnata (passionflower) herbal tea on subjective sleep quality.

Phytother Res. 2011 Aug;25(8):1153-9.

14. Schellenberg R, Sauer S, Abourashed EA, Koetter U, Brattström A. The fixed combination of valerian and hops (Ze91019) acts via a central adenosine mechanism. Planta Med. 2004 Jul;70(7):594-7.

15. Yeung WF1, Chung KF, Poon MM, Ho FY, Zhang SP, Zhang ZJ, Ziea ET, Wong VT. Chinese herbal medicine for insomnia: a systematic review of randomized controlled trials. Sleep Med Rev. 2012 Dec;16(6):497-507.